Unterscheiden sich die Methoden der Gesetzesauslegung in England und auf dem Kontinent tatsächlich fundamental voneinander?Stefan Vogenauer untersucht die Rechtsprechung deutscher, französischer und englischer Gerichte sowie des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Er stellt nicht nur die einzelnen Auslegungskriterien, sondern auch ihre Gewichtung im Konfliktfall dar. Dabei orientiert sich der Verfasser nicht an den Kategorien einer nationalen Methodenlehre, sondern an den konkreten Auslegungsproblemen, die sich in allen untersuchten Rechtsordnungen stellen. Wie reagieren die Gerichte etwa, wenn ein scheinbar eindeutiger Gesetzeswortlaut ein Ergebnis gebietet, das offenkundig im Gegensatz zum Normzweck steht? Wie gehen sie vor, wenn Billigkeitserwägungen ein Ergebnis fordern, das sich nicht mit den Vorstellungen der Gesetzesverfasser in Einklang bringen läßt? Wenden sie in bestimmten Rechtsgebieten besondere Regeln an? Das Ergebnis ist verblüffend: Tatsächlich besteht auf beiden Seiten des Kanals eine weitgehende Übereinstimmung in der Auslegungspraxis der Gerichte. Stefan Vogenauer zeichnet außerdem die historische Entwicklung der Interpretationsmethoden in England und auf dem Kontinent nach. Er fragt nach den verfassungsrechtlichen, rechtsphilosophischen und rechtstatsächlichen Faktoren, auf deren Grundlage sich die Auslegungsmethoden einer bestimmten Rechtsordnung in einer bestimmten Epoche herausbilden. Auf diese Weise zeigt er die engen Verbindungen zwischen der Vorgehensweise bei der Gesetzesauslegung und der allgemeinen Rechtskultur auf, die in herkömmlichen Darstellungen zur Methodenlehre gewöhnlich keine Beachtung finden.